Das grosse Einmaleins der Berufskompetenzen


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/03

     

Mit dem Auto in die Garage zum Service: Ein sehr freundlicher Fachmann begrüsst den Kunden und erkundigt sich nach dessen Wohlbefinden und dem des Autos. Er ist eidg. Automobildiagnostiker FA (Fachausweis). In seinem Werdegang hat er zuerst die Automechaniker-Lehre (heute: Automobil-Mechatroniker) absolviert, um nach einigen Praxisjahren die höhere Berufsbildung in Angriff zu nehmen. Nun ist er daran, sich auf die höhere Fachprüfung vorzubreiten, die ihm den Titel «eidg. Dipl. Automobilkaufmann» einbringt. Parallel dazu geht er — wie auch der Garagechef und alle anderen Kollegen — jährlich an mehrere Kurse der Automarke, die sie vertreten. Das machen sie, damit die Garage diese Marke behalten kann.



Zur Ausbildung gehören auch Kommunikationskurse, um den Markenstandard im Umgang mit dem Kunden sicherzustellen. Die Lehre verschafft die Kompetenzen des kleinen Berufs-Einmaleins, die höhere Bildung das grosse Einmaleins, das Konzeptwissen und Sachverständnis, worauf dann die Werksausbildung aufbaut. Letztere bringt die produktespezifischen Details, um eine so hohe Qualität sicherzustellen, dass bestimmt kein Problem zwischen den Service-Intervallen auftritt. Das Auto läuft.



In der Informatik aber springen noch zu Viele nur den produktespezifischen Kursen nach und beklagen sich über die kurze Halbwertszeit des Wissens. Zwar hat die Grundbildung mit etwas über 2‘000 Absolventen jährlich schon eine beachtliche Menge erreicht — aber zu viele bleiben auf dem kleinen Einmaleins kleben. Der Anteil der Absolventen höherer Bildung aller Berufe liegt in der Schweiz bei 25 Prozent, in der Informatik bei knapp 4 Prozent!



Das grosse Einmaleins der Berufskompetenzen wird kaum gepflegt, Konzeptwissen der komplexen Themen, Methoden für anspruchsvolle Projekte müssen im Ausland eingekauft werden. Da besteht Handlungsbedarf. Ziel muss es sein, dass mindestens die Hälfte der Grundbildungsabsolventen/-innen nach spätestens drei Jahren eine weitere Etappe der Ausbildung starten, auf dualem Weg zum Fachausweis und dann zum Diplom an einer höheren Fachschule.



Bei beiden Wegen werden ab Herbst genau auf die Informatik-Grundbildung ausgerichtete Lehrgänge in den Schwerpunkten Applikationsentwicklung, Systemtechnik und Wirtschaftsinformatik zur Verfügung stehen. Oder man geht an eine Fachhochschule. Damit die Absolventen/-innen der Informatikgrundbildung auch das grosse Einmaleins der Berufskompetenzen erwerben. Den Kunden zuliebe. Vielleicht läuft dann auch die Informatik überall pannenfrei.



Alfred Breu, SwissICT-Fachgruppe Lehr- und Praktikumsbetriebe








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