Infos statt Zahlenkolonnen

Die Verknüpfung von Performance Management (PM) und Enterprise Resource Planning (ERP) bringt Transparenz in Entscheidungsprozesse.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/04

     

Zwei Tage dauerte es, bevor der angeforderte Budget-Report auf den Schreibtisch flatterte. Allerdings: 48 Stunden sind zu lang, wenn eine zeitkritische Entscheidung gefällt werden muss. Diese Erfahrung bei Smiths Aerospace, einem US-Hersteller von Präzisionsmotorteilen für die Luft- und Raumfahrt, steht exemplarisch für viele Unternehmen: Sie füttern zwar ihre Warenwirtschafts- und Finanzmanagementsysteme laufend. Für die Zusammenführung von Daten zur Planung und Steuerung nutzen sie aber doch wieder manuelle Werkzeuge, meistens Excel – ein Bruch, der Zeit und Geld kostet und oft aus den Datenmassen nicht die akkuraten Informationen filtert, die Antworten auf strategische und operative Fragen liefern könnten.


ERP als unabdingbare Grundlage

Abhilfe schaffen Performance-Management-Systeme (PMS), die Daten aus den Geschäftsanwendungen intelligent miteinander verknüpfen. Unternehmen der fertigenden Industrie kommen ohne Geschäftslösung kaum noch aus: Systeme für Warenwirtschaft, Betriebsdatenerfassung, Produktionsplanung und -steuerung sowie für das Lieferketten-Management und die Kundenbeziehungspflege sind gang und gäbe.
Diese Transaktionssysteme steuern die Prozesse des Tagesgeschäfts und bilden den jeweils aktuellen operativen Status ab. Sie sind darauf ausgelegt, Daten zu speichern, Mengen abzugleichen, Transaktionen möglichst schnell abzuarbeiten und nachzuverfolgen sowie vordefinierte, geschäftsbezogene Berichte zu liefern.


Von operativen Daten zu wertvollen Informationen

«Ein Standard-ERP-System gilt als Investition für zehn bis fünfzehn Jahre. Über diesen Zeitraum hinweg müssen die Unternehmen den Wert des Systems erhalten und seine Rentabilität sichern», sagt Markus Stahl, Manager Product Marketing EMEA beim ERP-Hersteller Infor. «Hier bieten sich die heute meist Web-basierten Analysemöglichkeiten aus dem Bereich Performance Management als Steigbügel an: Sie können aus den gesammelten Daten einen Mehrwert herausschlagen.»




Performance-Management-Applikationen werten in kurzer Zeit grosse Datenmengen aus und können so mehr Transparenz in Unternehmensprozesse bringen: Trends und charakteristische Prozess- oder Verhaltensmuster werden plötzlich sichtbar. Ausgestattet mit diesem Wissen lassen sich Stellschrauben an Prozessen exakt justieren, so dass ein Unternehmen beispielsweise Einspar­potentiale frühzeitig erkennt und höhere Gewinne realisieren kann.
Ein mögliches Beispiel aus der Praxis: Mit Hilfe einer Performance-Management-Lösung wird aus den erfassten Betriebsdaten herausgefiltert, wie viele Teile in einer Stunde in einem bestimmten Prozess hergestellt wurden. Diese Daten bilden die Grundlage für eine Simulation, ob sich die Produktivität steigern lässt, ohne Kompromisse bei der Qualität einzugehen. Jeder einzelne Mitarbeiter erhält die neuen Leistungsparameter und kann so nachvollziehen, was genau mit welchem Ziel an den althergebrachten Prozessen verändert werden muss.






Gleichzeitig läuft die Betriebsdatenerfassung weiter und informiert das Performance-Management-System darüber, ob die Neuerungen die gewünschte Wirkung erzielt haben. Diese Methode lässt sich auch auf andere Aktivitätsbereiche anwenden: Vertrieb und Marketing können Kampagnen genauer auf Kundengruppen zuschneiden. In der Lieferkette lassen sich Schwachstellen entdecken und ausmerzen, bevor sie sich negativ auf die Kundenzufriedenheit auswirken. Auf diese Weise legt Performance Management die Grundlage für eine umfassende, integrierte Unternehmenssteuerung. Die Interpretation der Ist-Daten wird für das regelmässige Berichtswesen zur Steuerung der Produktion und für die Planung neuer Ziele genutzt, die wiederum fortlaufend überprüft werden.
Genau das wird bei Smiths Aerospace nun gelebt: Das Vier-Milliarden-Dollar-Unternehmen hat sich für eine integrierte Performance-Management-Lösung von Infor entschieden, mit der das Berichtswesen optimiert wird. Von dieser gemeinsamen Plattform aus können rund 200 Abteilungsleiter Budget- und Reporting-Informationen abrufen. Die Konsolidierung der Budget-Reports hat sich damit auf eine zweistündige Angelegenheit reduziert, mit deren Abschluss ein akkurates Informationspaket vorliegt.


Der Weg zur Integration

Qualifizierte Entscheidungen statt Steuern im Blindflug: Die Vorteile der Integration zwischen Performance-Management-Systemen und ERP- beziehungsweise weiteren Geschäftslösungen auf der anderen Seite sind unbestritten. In Unternehmen, die eine hochintegrierte ERP-Lösung implementiert haben, liegen alle Daten bereits in einer zentralen Datenbank vor. In diesem Fall ist es verhältnismässig einfach, eine schlanke Performance Management-Lösung per Schnittstelle zu verknüpfen.




Die Benutzer fragen über die Software Informationen in Form von Berichten ab, die diese aus der ERP-Datenbasis generiert. Diese schnelle Art der Integration ermöglichen inzwischen einige ERP- und PM-Hersteller, die ihre Produkte aufeinander abgestimmt haben. Sie hilft vor allem der IT und dem Endanwender, um einfache Reports wie eine Händler­übersicht oder einen Inventurbericht rasch zur Hand zu haben.
Wenn die Geschäftsführung tiefergehende Analysen für strategische Entscheidungen braucht, ist die Technologie-Hochzeit technisch und organisatorisch aufwendiger. Das gilt auch, wenn operative Daten in unterschiedlichen Datentöpfen und Systemen vorliegen. Für eine Analyse müssen Daten erst herausgezogen, dann bereinigt und in ein einheitliches Format gebracht werden.





Die Verknüpfung von Geschäftsdaten und Analyse- beziehungsweise Planungs- und Steuerungslösungen nimmt daher in der Regel die Route über einen Data Mart als subjektorientierten Grundspeicher, der als einzige «Quelle der Wahrheit» fungiert. In diesen virtuellen Repositories sind die wichtigen Dimensionen eines Betriebs repräsentiert – in der Fertigung etwa Zeit, Produkte, Händler, Käufer, Umsatz, Kosten oder Bruttogewinn.
Noch aufwendiger als ein Data Mart, aber sinnvoll für spätere schnelle Analyse-Ergebnisse ist der Aufbau eines Data Warehouse, in dem die beschriebenen Strukturen bereits vorbereitet sind. Analysen werden per Online-Zugriff interaktiv angestossen – die Ergebnisse sind leicht zu verstehende grafische Darstellungen statt endlose Berichte mit Tabellen und Zahlen.


Integriert oder separat?

Wer von Grund auf ein neues Performance-Management-System von einem spezialisierten Anbieter einführt, erhält damit maximale Flexibilität und Funktionstiefe. Allerdings: Solche Standalone-Lösungen – frei nach dem Best-of-Breed-Ansatz – sind nur dann sinnvoll, wenn das Unternehmen die darin enthaltenen umfangreichen Funktionen tatsächlich erschöpfend nutzt und damit den hohen Implementationsaufwand rechtfertigt.
Ein ergänzendes PM-Modul vom ERP-Hersteller liefert unter Umständen weniger Funktionstiefe, ist dafür aber durch vordefinierte Schnittstellen, vorprogrammierte Extraktions- und Transformationsprogramme sowie Lade- und Aktualisierungsprozesse schneller einsatzbereit. Sehr häufig sind die Lösungen so vorkonfiguriert, dass sie «out-of-the-box» sinnvolle Kennzahlenblätter und Reports enthalten. Ein weiterer Pluspunkt für die Lösung vom ERP-Hersteller: Anbieter von branchenorientierten Lösungen lassen dieses Fachwissen auch in die Umsetzung der Analyse- und Reporting-Tools einfliessen. Damit lassen sich die Analysen noch genauer unter den Vorzeichen des jeweiligen Marktes durchführen.


ERP-optimierte PM-Lösungen

Einige Anbieter, die im ERP-Bereich branchenorientiert arbeiten, offerieren eine weitere Alternative: Sie haben zuvor eigenständige PM-Lösungen aufgekauft. Diese können weiterhin mit Programmen von Drittanbietern genutzt werden, wurden inzwischen aber für den Einsatz mit den herstellereigenen Standardlösungen optimiert. Der Vorteil: Der Kunde bekommt einerseits branchenspezifisches Know-how, das er sonst eher von kleinen Nischenanbietern erhalten würde, andererseits profitiert er von der Sicherheit eines grossen Anbieters.





Beim Business-Software-Anbieter Infor zum Beispiel sind Prozess-Applikationen zur Planung und geschäftsspezifische Analyse-Tools in einer gemeinsamen Suite zusammengefasst, ergänzt durch eine Infrastrukturschicht, die eine vorkonfigurierte Datenintegration in andere Lösungen wie ERP, CRM und SCM sicherstellt. Auf dieser Ebene werden die Finanz- und operativen Daten sowie Metadaten und Stammdaten verwaltet.
In der Schweiz ist die Infor-Lösung zum Beispiel beim Nahrungsmittelkonzern Hero im Einsatz. Vor der Einführung der integrierten Performance-Management-Lösung stand Hero vor der Herausforderung, dass das Group Controlling den Top-Managern jederzeit Informationen über die aktuelle finanzielle Gesamtsituation liefern sollte. Die allmählich in die Jahre gekommene Datenbank war allerdings bereits mit einfachen Abfragen wie «Umsatz Europa für die gesamte Kategorie Müesliriegel“ überfordert.






Das neue PM-System deckt die strukturierte Erfassung von Daten – beispielsweise Tagesumsätze nach Produktgruppe, Monatsumsätze nach Produktgruppe und Vertriebskanal – sowie die Planung ab. Das Berichtswesen wird über ein Web-basiertes Berichts-Cockpit abgewickelt. Diese kundenspezifische Applikation setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen: Eine mehrdimensionale Datenbank, ein leicht zu bedienendes Front-end sowie ein Java-Client für die Web-Funktionalität. Peter Zihla, Vice-President Group Controlling bei Hero, bestätigt den Geschwindigkeitsvorteil für Entscheidungen durch ein integriertes System: «Unsere Geschäftsführer lieben das System, weil sie dadurch Zahlen sofort zu sehen bekommen, sobald die Eingabedaten abgespeichert sind.»




Integrierte ERP- und BI-Umgebung


Die Autorin

Jutta Schausten ist freie Journalis-
tin in Düsseldorf. Sie erreichen sie unter juttas@lewispr.com




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